Anschlag in Halle – Nazi gefasst

Oktober 2019

Zum Mordanschlag und Angriff auf die Synagoge in Halle an Jom Kippur ist bereits viel geschrieben und in TV Sendungen allerlei berichtet worden. Vor allem aus dem Lager der Rechtfertiger solcher Nazi-Verbrechen wird penetrant der “Anschlag von Limburg” bemüht, ein Syrer fuhr mit gestohlenem LKW mehrere Fahrzeuge zusammen. Das dieser Fall völlig anders gelagert ist, wird dabei glatt übersehen. Aber in einem Punkt bestätigt dieser dann doch etwas: Nazi-Ideologie und Rassismus sind ein Verbrechen, keine Meinung. Während die Motive des Syrers für seine Tat wenige Tage vor dem Angriff in Halle noch nicht ganz geklärt sind, aber bereits ein “islam”faschistischer Hintergrund, also ein politisch motivierter Anschlag ausgeschlossen wird, ist die Tat von Halle bereits sehr klar motiviert beschrieben: es ging darum, Menschen in einem jüdischen Gotteshaus zu morden und, weil das nicht gelang, ersatzweise einen Döner Laden (also ebenfalls zum Feindbild gehörende Menschen) anzugreifen. Dabei ging der Täter gezielt mit selbst gefertigten Waffen zu Werke.

Neben den unterdessen schon routinierten Beileids- und Betroffenheitsbekundungen, denen, und nur darum geht es an dieser Stelle, und nicht darum, die ehrliche Anteilnahme in Frage zu stellen, in der Regel  N i c h t s  nachhaltiges folgt im Kampf gegen den Nazi – ismus und seine Anverwandten.

Im “Stern Online” schreibt Micky Beisenherz (ein Universaltalent aus Castrop-Rauxel) unter der Überschrift “Bietet dieser jämmerlichen Gestalt nicht die Chance, sich wie Che Guevara zu fühlen” zu dem Mordgesellen: “So darf man schon die Frage stellen, wie ernst es zum Beispiel einem “Bild”-Chefredakteur ist, der bei antisemitischen Anschlägen wortreich und ausdrucksstark ein “Nie wieder!” fordert – nur, um auf derselben Seite direkt darüber den Täter, dessen Taten, seine Gedanken so prominent zu platzieren, dass jeder asoziale Irre hier einen klaren Publicity-Anreiz sehen muss. Spätestens seit Utoya hätte uns allen klar sein müssen: Ein Mindeststandard, auf den wir uns einigen sollten, diesen jämmerlichen Gestalten nicht noch die Chance bieten, sich wie Che Guevara zu fühlen. Nichtbeachtung ist die größte Strafe. Und die Sprache, die sie gelernt haben.”
Und weiter: “
So muss man die geschäftsmäßige Fassungslosigkeit eines AfD-Spitzenmannes wie Björn Höcke, der bass erstaunt postet “Was sind das nur für Menschen, die anderen so etwas antun?” korrekterweise beantworten mit: vermutlich Deine Fans. Wer über Jahre hinweg ein Klima der Bedrohung, des Staatsversagens, der Umvolkungspanik schürt, sollte nicht allzu erstaunt gucken, wenn der ein oder andere Glutbürger von sich aus losmarschiert, weil ihm das mit der alternativen Machtergreifung nicht zügig genug geht – und ohnehin war das mit den Juden damals ja nur ein “Vogelschiss”. So what? Warum nicht mal Juden auf der Straße angreifen, jüdische Restaurants anzünden oder Synagogen sprengen? Ist es wirklich so angebracht, Geschichte aus dem Stundenplan deutscher Schüler zu streichen?”, und auch das ist noch nicht alles: “Weder sie, noch Maas oder andere Spitzenpolitiker vermochten es an diesem Abend, den richtigen Ton zu treffen. Dies gelang am Rande des Länderspiels Deutschland-Argentinien in Dortmund ausgerechnet einem deutschen Fußballfan. Als sich während der Schweigeminute in Gedenken an die Opfer ein asozialer Volltrottel genötigt sah, die andächtige Stille durch das Gröhlen des Deutschlandliedes zu unterbrechen, entfuhr einem beherzten Fan ein kräftiges “Halt die Fresse!”. Danach war Ruhe. Der dunkelhäutige Serge Gnabry schmunzelte. Das Stadion applaudierte. Nicht wenige kürten den couragierten Fan daraufhin im Netz zum Man of the Match. Es war das ehrlichste “Nie wieder!”, das ich gestern gehört habe.” (Stern Online v. 10.10.2019). Danke Micky, für diesen Artikel!

Ergänzung 1: Maas Worte, wonach “wir” (?) “mitten ins Herz getroffen worden seien” fordert zum Widerspruch heraus: Wer mitten ins Herz getroffen wird ist üblicherweise Mausetot. Was will Maas uns damit sagen? Und Steinmeier, Genosse – und Bundespräsident: “Das war mir unvorstellbar” – wo hast du die vergangenen Jahrzehnte gelebt?

Ergänzung 2: Nun ist das alles gar so neu nicht, schon gar nicht die fadenscheinige Methode “Höcke” und co. Ihr Vorbild dürfte der Rechtsradikalismus seiner Zeit gewesen sein. 1922 am 24.6. war der Reichsaußenminister der Weimarer Republik von Angehörigen der rechtsextremen Organisation Consul ermordet worden. In der anschließenden Parlamentsdebatte kamen die antisemitischen Hetzreden einiger Abgeordneter gegen Rathenau zur Sprache. Mit regelrechten Mordaufrufen tat sich der Abgeordnete Karl Helfferich von der Deutschnationalen Volkspartei hervor und die Geschichtsschreibung macht diese Klimavergiftung maßgeblich für den Mordanschlag verantwortlich. Zuvor war 1920 bereits der Zentrumspolitiker Matthias Erzberger, ebenfalls von der Organisation Consul, ermordet worden. Auch diesen Mord, so heißt es, hat Helfferich mit einer Verleumdungskampagne vorbereitet.

Innerhalb der Freikorps entblödete der gemeine Anhänger sich nicht, mit Mord-Gesängen wie “Knallt ihn ab, den Rathenau, die gottverfluchte Judensau” aufzufallen. Fühlt sich hier irgendwer an die Gefolgschaft der Gauleiter und Höckes erinnert? Muss ein Zufall sein!