Im Januar 2019
Eine notwendige Vorbemerkung. Es mag scheinen, als „arbeite“ ich mich an den GRÜNEN ein wenig arg ab, für ein Ex-Mitglied dieser Partei. Aber das geschieht natürlich, weil ich dieser Partei und vor allem zahlreichen Mitgliedern dieser Partei, neben meinen neu gewonnen Freundinnen und Freunden bei DiB/Demokratie in Europa und DIEM25, eben immer noch näher stehe, als anderen Parteien in der Landschaft.
Meine Beschäftigung mit dieser Partei ist also Ausdruck meiner Wertschätzung und auch des weiteren Interesses an dieser Partei und ihrer Entwicklung. Wenn ich sie nun von außen (ich war ungefähr ein Jahrzehnt Kritiker im „Innern“ und in den 1980igern an der Gründung der Vorläuferpartei GLH beteiligt) kommentiere, dann nicht, weil diese Partei der „Feind“ ist, sondern in der Hoffnung, diejenigen in dieser Partei zu unterstützen, die den Mut zu radikaler Kritik erhalten haben und die sich für notwendige Veränderungen der Verhältnisse und die Beseitigung von Missständen einsetzen. Weil die GRÜNEN gerade einen „Höhenflug“ ohne gleichen erleben, sollte die Partei sich zunehmend verantwortungsvoller als bisher der Frage stellen, für was, wen und warum sie Position bezieht. Und welche Bündnispartner sie wählt.
Das „Journal Frankfurt“ berichtet unter der Überschrift „Identitätskrise der GRÜNEN“ (ohne Fragezeichen) von einer erneuten Sammelabschiebung von abgelehnten Asylbewerbern nach Afghanistan. Zwei der Personen waren aus Hessen. Im Dezember 2018 waren bereits via Frankfurt 14 abgelehnte Flüchtlinge aus Afghanistan ausgewiesen worden. Zur Erinnerung: Afghanistan ist da, wo Deutschland sich seit dem 22. Dezember 2001 an einer sogenannten „Friedensmission“ beteiligt, deren kriegerischer Charakter kaum zu verschleiern ist, und der in Deutschlands öffentlicher Wahrnehmung kaum mehr vor kommt. Es wurde mitunter bekannt, dass selbst Personen aus Afghanistan vor Abschiebung nicht sicher sind, die für die Deutsche Truppe oder andere Verbündete gearbeitet haben, sofern diese, nach einer inquisitorischen Prüfung, überhaupt je nach Deutschland eingelassen wurden. Nun – ich will nicht abschweifen.
Zunächst einmal gilt es fest zustellen, dass die hessischen GRÜNEN, die ja gerade deutlich gestärkt in die neue Koalition gehen, selbstredend keine Identitätskrise haben. Die Abschiebungsfrage ist in dieser Partei längst geklärt und gehört, meinen Freund*innen ist das bekannt, zu einer der Gründe für meinen Austritt aus dieser Partei. Die Formel, die hessischen GRÜNEN üben Kritik an der Praxis, machen aber stets mit und zeigen mit dem Finger auf die Bundespolitik, gehört zum Politsprech seit Jahren. Man nennt das auch „links blinken, scharf rechts abbiegen“. Die Kritiker*innen in der Partei, die etwa vertraten, dass auch eine Abschiebung krimineller Flüchtlinge, zumal in Staaten deren Rechtsstaatlichkeit in Frage steht oder etwa die Todes“strafe“ Gesetz ist, überhaupt keine Option ist, waren und sind hoffnungslos in der Minderheit. Dass für Straftaten die hier begangen werden, die hiesigen Strafverfolgungsbehörden und Gerichte zuständig sind, egal woher Täter kommen, sollte nicht allein aus humanitären Erwägungen erste Botschaft sein. Stattdessen verbreitet unterdessen auch die Bundesspitze der Grünen, bisher scharfe Kritiker der Abschiebepraxis der Länder, ebenfalls „harte Linie“ gegen Straftäter“. Natürlich sind die „Straftäter“ nur das Einfallstor für das eigentlich Gemeinte. Zum Beispiel die Ausweitung der Definition sogenannter „sicherer Herkunftsländer“. Es gibt ein paar GRÜNE Meinungsführer, die schon lange meinen, da könne, ja müsse man den CDU/CSU Forderungen nachgeben.
Es ist keine „Identitätskrise“ um die es hier geht. Es ist der ausgesprochene Mehrheitswille der GRÜNEN Partei, ihr größeres Kampfgewicht eben nicht in die Waagschale zu werfen um die inhumane Abschiebepraxis des CDU Koalitionärs und im Bund gegebenenfalls der CDU/CSU zu beenden, eben weil man darin eine „Schnittmenge“ sieht. Das zu erkennen, da braucht es keine große Interpretationskunst:
„Wir Grüne haben uns im Rahmen der Koalitionsverhandlungen dafür eingesetzt, allen Afghanen, die nicht straffällig sind, eine längerfristige Duldung zu ermöglichen. Damit wollen wir ihnen Angst und Unsicherheit nehmen“, heißt es in einer aktuellen Stellungnahme aus Wiesbaden. „Wir haben zudem vereinbart, dass auch weiterhin vorrangig Straftäter nach Afghanistan abgeschoben werden. Die Entscheidung über die Sicherheits-einstufung für Afghanistan obliegt der Bundesregier-ung und diese müssen wir akzeptieren.“
„Vorrangig“, heißt eben auch, dass es „Nachrangig“ möglicherweise doch Abschiebungen geben wird. Und der Fingerzeig nach Berlin ist doch allzu kapitulatorisch …