GRÜNE – Frieden, Sicherheit und globale Gerechtigkeit?

im Dezember 2018

angeregt durch einen Gastbeitrag in der FAZ vom 8.11.2018 von Anton Hofreiter (Ko-Vorsitzender der grünen Bundestagsfraktion) und Agnieszka Brugger (Stellvertreterin derselben) schrieb ich an die beiden und GRÜNE
Freundinnen und Freunde:

Liebe Freundinnen und Freunde,
Liebe Agnieszka,
Lieber Anton,

erlaubt mir einen Einwand von “außen”.

“Damit Europa nicht zum Spielfeld und Beschleuniger einer neuen Rüstungsspirale wird, muss die Bundesregierung fünf Punkte umsetzen: Erstens den Abzug der amerikanischen Atomwaffen aus Deutschland und ein Beendigung der nuklearen Teilhabe. Zweitens den Beitritt zum UN-Atomwaffenverbotsvertrag. Drittens eine klare Absage zur Stationierung neuer Mittelstreckenraketen in Europa, bevor diese Debatte von Donald Trump nach Europa getragen wird. Viertens eine unnachlässige Verteidigung des Iran-Abkommens, um eine nukleare Aufrüstungsspirale im Nahen Osten zu verhindern. Und fünftens die Wiederbelebung des Vertrages über Konventionelle Streitkräfte in Europa, mit dem schon einmal die drastische Reduzierung schwerer Waffensysteme in Europa gelang.”

Ich zitiere ausführlich diese Punkte und, natürlich, dem ist nicht zu widersprechen. Allein mir fehlt das Vertrauen, dass die GRÜNE Partei dies überhaupt umsetzen will, sofern sie die Möglichkeit dazu hätte.

Warum?

Die GRÜNE Partei hat anlässlich der Fischer/Schröder Regierung die Möglichkeit gehabt, wenigstens Teile dieser Forderungen umzusetzen, Weichen zu stellen. Das hat sie nachweislich nicht getan. Das Buch “Waffenhandel” von Gräslin untersucht diese Frage ausgiebig. Während der Regierungszeit, wir erinnern uns, wurde eben nicht lautstark der Abzug nuklearer Waffen aus Deutschland betrieben, die “nukleare Teilhabe” wurde nicht problematisiert und eben keine der Forderungen überhaupt entsprechend in den damaligen Koalitionsvertrag integriert, wenn ich recht erinnere. Darüber hinaus hat die Fischer/Schröder Regierung einer Krieg führenden Macht freie Verfügung über Lagerung, Truppenstationierung und Flugrechte gegeben und sich teilweise selbst an völkerrechtswidrigen, bzw. von keinem UN Mandat gedeckten Kriegen direkt beteiligt. Konventionell sind die Mitgliedsstaaten der EU und NATO mit Abstand diejenigen, die das meiste Geld in Aufrüstung stecken (2017 900 Mrd.$, Russland 66 Mrd.$, China 238 Mrd.$). Über den internationalen Handel mit Mordwerkzeugen haben alle Deutschen Regierungen eher mehr denn weniger, ihre schützende Hand gelegt, was heute dazu mutiert, dass der Handel mit Mordwerkzeugen aus Europa bei ca. 25% weltweit liegt. Es war speziell die Schröder/Fischer Regierung, die den europaweiten Zusammenschluss der Rüstungsindustrie forcierte, eine Forderung die sich ja auch bei GRÜNEN weiterhin einer ziemlichen Beliebtheit erfreut.

Ob nun, da die GRÜNE Partei bereit ist, selbst mit einer CSU Regierungsbündnisse einzugehen (wichtiger Waffenlobbyist im Land), ein solch ambitioniertes Abrüstungsansinnen angegangen werden wird, sofern die GRÜNEN die viel beschworene “Verantwortung” übernehmen, entbehrt also jeglicher realpolitischen Grundlage. Was wird da wohl im Koalitionsvertrag stehen?

Einen Vorgeschmack gibt das Kapitel 4 des BDK Beschlusses. Die Grüne Partei hat, soweit wir davon ausgehen können, dass der jüngste BDK – Beschluss (als vorläufig veröffentlicht) in das Wahlprogramm Eingang finden wird, im Kapitel 4 zunächst einmal etwas anderes beschlossen.

Obwohl die Lage teilweise (!) richtig dargestellt und von Hofreiter/Brugger im Gastbeitrag verkürzt im Artikel übernommen wird, wird im Kapitel 4 eindeutig Partei ergriffen. Wenn also Hofreiter/Brugger Formulierungen wählen, die scheinbar Neutralität und Kritik an allen Kriegstreibern suggeriert, stellt das Kapitel 4 im künftigen Wahlprogramm recht eindeutig fest: Die Kriegstreiber sind Russland und China. Und zwar so eindeutig, dass der Sachverhalt für durchschnittlich politisch interessierte Mitteleuropäer kaum falsch zu verstehen ist.

So wird als einziges Land, welches die territoriale Integrität anderer verletzt, Russland genannt. Das ist eine einseitige Schuldzuweisung. Die Transatlantiker*innen in der GRÜNEN Partei scheinen ja nun wirklich ein ernstes Problem zu haben. So eiern deren Argumente durch das Papier, bereits ab den Zeilen 1-9. Dort wird die erforderliche Geschichtsklitterung betrieben, dass die USA sozusagen bis 2001 oder 2005, unumschränkt für alles Gute in der Welt verantwortlich gewesen seien. Ich habe die Rückmeldung des einen Freundes/der anderen Freundin, man “habe nicht die Zeit, das zu lesen” (was die GRÜNE Partei beschlossen hat), das ist, um es vorsichtig auszudrücken, mehr als bedauerlich, zumal es sich da teilweise um Delegierte handelt.

In diesen ersten Zeilen, geht es darum, den Spagat zu verargumentieren, einerseits dem Bündnis aus NATO und USA weiterhin unverbrüchliche Treue schwören zu wollen, aber eben nicht zu können. Zu durchgeknallt ist diese Republikanische Partei mit ihrem Präsidenten … Und ja – da waren ja auch Irak und Guantanamo und …

Entgegen anders lautender Behauptungen, wird in dem Text, gut vergraben unter einen “Rundumschlag” gut gemeinter Forderungen, die man irgendwie der Kapitel Überschrift zuordnen kann (oder auch nicht! Weil sie genau so gut, bzw. besser in andere Kapitel gehört hätten) zunächst einmal, Russland bahsing (first) betrieben und China unter eindeutiger Schuldzuweisung genannt. Das zieht sich durch den Text als “roter Faden”.

Auf Alternativen zu dieser unverbrüchlichen Bündnistreue, also Europäische Armee, Forderungen nach Aufrüstung des Nukleararsenals der Mitgliedsstaaten der EU etc., wird nicht weiter eingegangen, bzw. man behält sich im Kapitel 4 einige Beinfreiheit vor, von einer klaren Absage, zumindest was das Projekt Europäische Armee betrifft, kann jedenfalls nicht die Rede sein. Das Ganze passiert im Sinne von, die “NATO/USA sind zwar Schweinehunde, aber es sind unsere Schweinehunde”.

Im Kontext mit dem Lobgesang auf die “Europäische Integrationsstrategie” in Kapitel 4 muss die Frage gestellt werden, ob das wirklich ein Beitrag zu Deeskalation und Abrüstung ist. Übrigens: Jüngste Meldungen wonach Serbien Kosovo militärisch droht – Auslöser: Kosovo möchte eigenes Militär aufbauen.

In diesem Abschnitt kaum zu übersehen, wird einer merkwürdige Affinität zu östlichen Despotien gehuldigt, die Hauptsache sie heißen nicht Russland oder China.

Es ist also längst nicht ausgemacht, in welche Richtung GRÜNE EU Politik in Sachen Frieden und Abrüstung und globaler Gerechtigkeit steuert. Eine klare Absage etwa, an Pläne zur Europäischen Armee, kann ich nicht erkennen. Ob es den wohl gemeinten Forderungen nach einer Friedenspolitik mehr Raum verschafft, als etwa die wohlmeinenden Forderungen nach zivilem Engagement in Afghanistan, scheint mir jedenfalls mehr als fragwürdig.

Auch GRÜNE Europapolitik muss sich an der EU Wirklichkeit messen lassen und die manifestiert in: „Die Europäische Verteidigungsagentur (EVA) wurde am 12. Juli 2004 errichtet. Zu ihren Hauptaufgaben gehören: Entwicklung der Verteidigungsfähigkeiten; Förderung und Verbesserung der europäischen Zusammenarbeit im Rüstungssektor; Stärkung der technologischen und industriellen Verteidigungsbasis Europas (EDTIB) und Schaffung eines international wettbewerbsfähigen europäischen Marktes für Verteidigungsgüter (EDEM) sowie Förderung der Wirksamkeit der Forschung und Technologie (F&T) im europäischen Verteidigungssektor.“

Persönlich kann ich mich erinnern, dass ich genau um den Punkt bereits vor Jahren mit dem Parteifreund Dany in Frankfurt stritt. Nach einem etwas lautstarken Wortwechsel, Dany war definitiv in Verteidigung, ich glaube es war der Vertrag von Nizza, nicht bereit, einzusehen, dass die Forderung die militärische Rüstung und die Armeen Europas stets auf dem technisch neuesten Stand halten zu müssen, manifestiert über die EVA, eine Lizenz zum Geld drucken für die Rüstungsindustrie erster Güte ist, von der jede friedliche Industrie nur träumen könne. Dany musste dann zum Zug, raunte mir beim raus gehen, und unwillig, zu. “Hast recht, aber …” Womit gemeint war, in Europa nicht durchzusetzen, deshalb sinnlose Diskussion”. Kann man so sehen. Wozu dann aber große Worte und GRÜNE Partei …?

Beste Grüße

Simon

Ehemals KV Limburg-Weilburg der GRÜNEN, früher lange Zeit LAG Hessen-/BAG Frieden Mitglied